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Gladbacher Kaderplanung abgeschlossen – Geht da was?

In den nächsten Tagen wird – sollte nicht außergewöhnliches passieren, Juan Arango einen Vertrag mit der Borussia abschließen. Darf man den Worten Max Eberls glauben, wäre damit das Kapitel Einkäufe für diese Saison abgeschlossen (eine bei Gladbach weit interpretierbare Aussage).

Gleichzeitig scheint klar zu sein, wer seine Koffer packen muss und welche Spieler aus dem zweiten Glied sich eine weitere Saison anbieten dürfen. Sehr früh darf man also schon ein Fazit ziehen, ob die Personaldecke mehr verspricht als in der letzten Saison und wo die Sollbruchstellen sind.

Tor: Bailly, Heimeroth, Löhe

Dieser Mannschaftsteil steht zweifellos am wenigsten in der Diskussion. Bailly ist ein absolut bundesligatauglicher Keeper und Heimeroth eine gute Nr. 2. Von Löhe war bisher zu wenig zu sehen, als dass ich ihm Ambitionen unterstellen würde, Heimeroth verdrängen zu können.

Abwehr: Brouwers, Callssen-Bracker, Dante, Daems, Dorda, Jaures, Kleine, Levels, Stalteri

Ist es Gottvertrauen oder Mut, dieser Abwehrreihe ohne weitere Verstärkungen das Vertrauen zu schenken? Der Hühnerhaufen der Hinrunde gewann in der Rückrunde durch Dante und Stalteri zwar zweifellos Stabilität, aber von Sahne war das so weit weg wie Dickmilch. Es standen immer noch 27 Gegentore zubuche – nur vier Mannschaften waren schlechter.

In der Innenverteidigung war Dante selten souverän – Licht wechselte zu oft mit Schatten. Brouwers hat bekannte Defizite in Sachen Schnelligkeit und Spieleröffnung – trotz alledem kamen Callssen-Bracker und Kleine nicht an ihnen vorbei.

Besser sieht die erste Garde auf den Außen aus. Daems und Stalteri machten ihre Sache mehr als ordentlich und sorgten oft genug für Wirbel auf den Flügeln. Hinter den beiden lauert Levels – in den Mitteln beschränkt, aber ein Kämpfer vor den Herrn, ein Charakter und mittlerweile eine Identifikationsfigur für die Fans. Jaures könnte die große Unbekannte sein. In der letzten Saison mit höheren Ambitionen gekommen, aber in eine Seuchen-Saison gerutscht. Hat er sein wahres Potential noch nicht gezeigt? Unwahrscheinlich, aber möglich. Der junge Dorda wurde von Hans Meyer einige Male ins kalte Wasser geworfen, aber auch schon mal vor der Halbzeit ausgewechselt. Gelingt ihm kein großer Entwicklungsschritt, wird er nicht mehr als ein Backup sein.

Mittelfeld: Alberman, Arango, Bradley, Jantschke, Marx, Meeuwis, Neustädter, Reus

Im Mittelfeld hat Gladbach zweifellos die größte Lücke zu stopfen. Mit Baumjohann, Marin und Galasek ging fast die komplette erste Reihe – wobei Galasek sicher schwerer zu ersetzen ist als die beiden Youngster.

Fangen wir beim Positiven an. Mit Bradley steht immer noch ein Juwel auf dem Platz, das beim Confed Cup eindrucksvoll sein Potential unter Beweis gestellt hat. Ihm könnte der Durchbruch gelingen, wenn er trotz der Belastung eine vernünftige Vorbereitung schafft. Er ist laufstark, technisch beschlagen und torgefährlich. In der letzten Saison tauchte er nach guten Auftritten zu oft ab – er muss an Konstanz gewinnen.

Meeuwis ist ein gestandener Spieler aus der Ehredivisie, der quasi eine Stammplatzgarantie hat. Mangels Kenntnis der holländischen Liga kann ich ihn nicht beurteilen, aber ein gesundes Misstrauen bleibt. Ein Touma kam mit ähnlicher Referenz und konnte sich nie durchsetzen.

Ganz im Gegenteil weiß man bei Torben Marx genau, was man bekommt: einen soliden, bundesligatauglichen und im Abwehrkampf gestählten Spieler, von dem man aber auch keine Glanzstücke erwarten darf. Selbst bei Bielefeld war er nicht unumstritten. Er wird versuchen, einen Stammplatz im Mittelfeld zu erkämpfen, kann aber genauso gut auf der Ersatzbank landen. Ein Spieler, der Gladbach weiter bringt, ist er jedenfalls nicht.

Die große Hoffnung ist Arango. Kapitän des RCD Mallorca (neunter Platz in Spanien), Kapitän der venezuelanischen Nationalmannschaft und einer der besten Spieler aller Zeiten seines Landes (okay, Venezuela, aber trotzdem). Offensiver Mittelfeldspieler, torgefährlich vor allem aus der Distanz und offensichtlich kein Legionär – in Mallorca spielte er fünf Jahre. Ein Profil, bei dem man sich fragt, warum gerade Gladbach ihn bekommen hat. Schottische und türkische Spitzenvereine haben mitgeboten, aber Arango wollte in eine Top-Liga – ein weiteres Zeichen für Charakter. Ich will gar nicht misstrauisch werden, sondern hoffe einfach mal, dass wir ein richtiges Schnäppchen gemacht haben. Einen auf dem Papier besseren bekommt Gladbach nicht.

Der junge Jantschke hat in der letzten Saison sehr gute Ansätze gezeigt, bevor er schwer verletzt wurde. Er ist ein Hoffnungsträger im defensiven Mittelfeld. Ob Alberman tatsächlich die Saison für Gladbach spielen wird? Ich glaube eher nicht. Er konnte sich in keiner Weise durchsetzen. Für Alberman ist das Spiel zu schnell, er ist in seinen Reaktionen zu langsam und er wird nicht über die zweite Reihe hinauskommen.

Reus ist der vielversprechendere der beiden Nachwuchs-Transfers. In Ahlen hat er eine gute Saison gespielt, er scheint technisch beschlagen, aber ob er den Sprung in die Bundesliga schafft – da steht ein dickes Fragezeichen hinter. Gute Zweitligaspieler – das hat uns Gladbacher die letzte Saison gelehrt – fangen eine Klasse höher bei Null an. Neustädter hat noch nicht mal Erfahrung. Er hat lediglich sechs Spiele für Mainz gemacht und es dürfte als Sensation gelten, würde er eine Rolle spielen.

Im Mittelfeld könnte auch Levels Ansprüche anmelden. In den letzten Spielen hat er dort teils großartige Leistungen gezeigt. Mit gefiel er dort deutlich besser als in der Abwehr. Ihm tut es offensichtlich gut, eine Absicherung hinter sich zu haben. In dieser Position würden seine Stockfehler nicht so sehr ins Gewicht fallen – und vielleicht gerade deswegen macht er sie nicht mehr.

Im Mittelfeld hängt ganz viel vom Auftreten der Hoffnungsträger Bradley und Arango ab. Bei Meeuwis weiß ich nicht, wo ich dran bin, der Rest ist höchstens unterer Durchschnitt. Während ich das Leistungsvermögen der Abwehr einschätzen kann, ist das Mitteldfeld eine Überraschungstüte. Es könnte den Ansprüchen des Bundesliga-Mittelmaßes genügen – oder auch nicht. Anlass für höhere Ambitionen bietet es jedoch nicht. Siehe auch hier.

Sturm: Bäcker, Bobadilla, Colautti, Friend, Lamidi, Matmour, Neuville

Bobadilla ist nach Arongo der zweite Großtransfer. Der Argentinier ist ein hochtalentierter, bulliger, torgefährlicher Stürmer. Gladbach hat ihn wohl nur bekommen, weil er in den letzten Jahren verletzungsanfällig war. Er hat das Potential, einzuschlagen. Das hängt davon ab, ob er den Sprung aus der schweizer Liga in die deutsche Liga schafft und ob sein Körper mitmacht. Auch hier gilt wie bei Arango: einen auf dem Papier viel besseren kann Gladbach nicht bekommen.

Rob Friend hat eine Seuchensaison hinter sich und laboriert seit einer halben Ewigkeit an einer eigentlich harmlosen Verletzung. Vor seinem Ausfall musste er Zugeständnisse an die erste Liga machen. Er büßte nach dem Aufstieg viel an Durchschlagskraft ein und agierte, wenn er mal in Position kam, unglücklich. Er muss erst noch unter Beweis stellen, dass er ein Guter in dieser Spielklasse ist. Daher auch unsere positive Bewertung.

Wenn bei beiden ersten Stürmer das Adjektiv verletzungsanfällig ganz vorne steht, müsste die sportliche Leitung eigentlich hellhörig werden und dahinter nicht nur Breite, sondern auch Klasse aufstellen. Leider sehe ich da wenig.

Matmour wird seinen Stammplatz mit Händen und Füßen verteidigen. Ob im 3er-Sturm auf Außen, im linken offensiven Mittelfeld oder als zweite Spitze, die um den Stoßstürmer wirbelt. Er hat sich gut in der Liga etabliert, muss aber noch an Zielstrebigkeit und Abschluss arbeiten.

Oliver Neuville könnte für einige Einsätze gut sein, aber sein Stern sank angesichts des Gladbacher 3-Spitzen-Sytems bereits in den letzten zwei Jahren schneller als die Bismarck. Sollte Frontzeck auf einen Zwei-Mann-Sturm setzen, könnte er noch mal eine Rolle spielen und als guter Backup fungieren – bei perfekter Gesundheit sogar für die erste Reihe infrage kommen.

Colautti ist seit letzter Saison eigentlich verbrannt. Er war der Chancentod, wenn er denn überhaupt mal eine Torchance bekam. Seine Rolle war undankbar. Er musste Friend als einzige Spitze vertreten und diese Rolle behagte ihm offensichtlich nicht. Wie bei Neuville gilt für ihn: in einem Zweier-Sturm könnte er aufblühen, muss sich aber von ganz hinten wieder rankämpfen.

Bäcker, aus der A-Jugend gleich in den Profi-Kader befördert, hat gute Ambitionen, scheint erfrischend unbedarft und selbstbewusst zu sein. Seine punktuellen Einsätze muss er nutzen. Eine Prognose ist natürlich nicht möglich. Moses Lamidi hat seine punktuellen Einsätze in der Vergangenheit nie genutzt und ich wundere mich, dass er immer noch im Kader steht. Er wird keinerlei Rolle spielen.

Auch im Sturm sehe ich wenig Anlass für Optimismus. Bobadilla ist ein Hoffnungsträger, aber natürlich abhängig von der Vorarbeit der Mitspieler – ich verweise auf meine Einschätzung der anderen Mannschaftsteile. Friend muss sich in der Bundesliga noch beweisen. Dahinter kommt nicht viel und im Verletzungsfall könnte Gladbach einigermaßen blank dastehen.

Fazit: Der Kader bürgt leider nicht für einen sicheren Klassenerhalt. Es sind zwar zwei Transfer-Highlights gesetzt worden, aber das ist zuwenig angesichts der Tatsache, dass dahinter kaum Verstärkungen, sondern nur (bestenfalls) Mitläufer verpflichtet wurden. Zahlreiche Schwachpunkte sind bereits offensichtlich, insbesondere in der Innenverteidigung. Gladbach wird sich mit diesen Spielern erneut auf eine im negativen Sinn spannende Saison einstellen müssen.

Und jetzt seid Ihr dran: Hab ich etwas falsch eingeschätzt? Ist Gladbach doch besser aufgestellt? Traut Ihr einem Spieler eine Überraschungssaison zu?